Ringvorlesung | Intervenierende Künste. Politische und ästhetische Potentiale
Veranstaltung in deutscher Lautsprache | Eintritt frei | keine Anmeldung erforderlich | barrierefreier Zugang
In jüngerer Zeit ist häufig von einer ‚Re-Politisierung‘ der Künste die Rede, die zugleich als Beobachtung wie als Erwartung formuliert wird. Künstler*innen werden von Museen und anderen Institutionen eingeladen, z. B. in koloniale Sammlungen zu intervenieren, sie schließen sich politischen Protesten an, um diese mit ihrer Arbeit zu unterstützen, sie geben in Aufführungen Personengruppen eine Bühne, die gesellschaftliche Diskriminierung erfahren, oder setzen sich in literarischen Texten mit Fakten auseinander, die in der Politik verschwiegen oder in sozialen Medien verfremdet werden. Doch welches Potential hat Kunst, haben die Künste, in gesellschaftliche Zusammenhänge oder in politische Prozesse tatsächlich einzugreifen, welche Verfahren kommen dabei zum Einsatz und welche Auswirkungen hat das auf ein aktuelles Verständnis von Kunst? Diesen Fragen widmet sich der seit 2022 an der Freien Universität bestehende Sonderforschungsbereich „Intervenierende Künste“, dessen Forschungen in der Ringvorlesung den Studierenden und einer breiteren Öffentlichkeit vorgestellt werden sollen.
Der Begriff des Intervenierens dient als Ausgangspunkt der Ringvorlesung und soll dabei auch selbst problematisiert werden. Er kann jene Prozesse des Ineinander von künstlerischem und aktivistischem Handeln fassbar machen, die jenseits etablierter Kunstformen und Kunstgattungen heterogene Handlungskomplexe, Ereignisse und Praktiken hervorbringen. Die Relevanz des Interventionsbegriffs ist dabei vor allem mit einem Wirkungsversprechen verbunden: dass das Intervenieren als künstlerische Praxis in lebensweltliche Zusammenhänge bestehender Gesellschaften und Systeme eingreift, nachhaltig wirksam wird und damit auch die ersehnte gesellschaftliche Veränderung umzusetzen verspricht.
Zugleich ist es keineswegs eindeutig, inwiefern und auf welche Weise Künste tatsächlich zu intervenieren vermögen. Vollziehen sich durch Eingriff und Intervention bewirkte Veränderungen nicht häufig jenseits programmatischer Geltungsansprüche und Proklamationen, finden sie gleichsam im Stillen, unter der Oberfläche und in untergründigen Transformationsprozessen statt?
Das Intervenieren als Denkfigur der Geistes- und Sozialwissenschaften kann deutlich über ein aktivistisches Kunstverständnis hinausgehen, wenn das Bild des ‚Dazwischentretens‘ so verstanden wird, dass künstlerische und gesellschaftliche Strukturen grundsätzlich ineinander verwoben sind. Mit dieser Verwobenheit nämlich steht der Kunstbegriff selbst zur Disposition. Damit ist eine Selbstproblematisierung der Künste verbunden, die den Interventionsoptimismus der historischen Avantgarden in ein neues Licht rückt: Inwiefern kann Kunst vor dem Hintergrund ihrer gesellschaftlichen Verwobenheit überhaupt ein Interventionspotential für sich reklamieren – oder kann sie es gerade aufgrund dessen? Was zeichnet spezifisch künstlerische Ausprägungen des Intervenierens aus?
Die Ringvorlesung möchte unter dem Leitaspekt „Intervenierender Künste“ das begriffliche Feld künstlerischen Intervenierens, die damit verbundenen künstlerischen Praktiken und die diesen Praktiken zugrunde liegenden längerfristigen sozialen Entwicklungsprozesse erkunden.
Die Ringvorlesung findet im Rahmen des Offenen Hörsaals immer dienstags 16.00 – 18.00 Uhr ct an der Freien Universität statt. Sie wurde von Jürgen Brokoff, Karin Gludovatz und Matthias Warstat konzipiert.
Livestream unter: www.fu-berlin.de/offenerhoersaal
16.04.2024 Grit Dommes, Birgit Eusterschulte, Karin Gludovatz, Tim LörkeIntervenierende Künste. Zur Einführung 23.04.2024 Anna Kipke, Mimmi Woisnitza vom Teilprojekt A06
Therapeutische Verfahren in künstlerisch intervenierenden Praktiken 30.04.2024 Claudia Dathe, Iryna Kovalenko, Annette Werberger vom Teilprojekt C03
Intervention durch Kooperation in den Avantgarden der Ukraine 07.05.2024 Laura Rogalski, Christian von Scheve, Simon Teune vom Teilprojekt B03
Wirksamkeit der Künste und intervenierende Praxis 14.05.2024 Ariane Jeßulat, Jasmina Samssuli vom Teilprojekt A04
Kannst Du mich sehen? Kannst Du mich hören? – Polyphonie als Filter sozialer Wahrnehmung 21.05.2024 Mariana Simoni, Susanne Zepp-Zwirner vom Teilprojekt A03
Poetiken der Intervention in Brasilien und Hispanoamerika 28.05.2024 Eva-Maria Ciesla, Susanne Hauser, Hannah Strothmann, Julia Weber vom Teilprojekt B06
Entwerfen / Verwerfen 04.06.2024 Mariama Diagne, Kirsten Maar, Sophie Schultze-Allen vom Teilprojekt B02
Zur Politik der kleinen Interventionen im Tanz 11.06.2024 Lisa Tracy Michalik, Florian Schlittgen, Brigitte Weingart vom Teilprojekt B04
Meme Cultures als intervenierende Praktiken 18.06.2024 Sambojang Ceesay, Robin Celikates, Felix Werfel vom Teilprojekt C04
Ästhetiken des Widerstands? Künstlerische Interventionen und politische Mobilisierungen in der Migrationsgesellschaft 25.06.2024 Matthias Grotkopp, Yvonne Pfeilschifter, Leona Schleicher vom Teilprojekt C05
Ausrichten und Auflösen: Intervenierende Formatierungen digitaler Bewegtbilder 02.07.2024 Eva Lucia Backhaus vom Teilprojekt B01
Improvisation, Leben, Theorie 09.07.2024 Doris Kolesch, Emma Lo, Layla Zami vom Teilprojekt B05
Akustische Störungen 16.07.2024 Paul Nolte vom Teilprojekt A05
Demokratie, Aktivismus, Kunst: Wandlungen eines Verhältnisses seit den 1960er Jahren
Zeit & Ort
16.04.2024 - 16.07.2024
Dienstags 16-18 Uhr, Hörsaal 1a, Gebäudekomplex Habelschwerdter Allee 45, 14195 Berlin
Ausnahme am 07.05.2024: Hörsaal D, Henry-Ford-Bau, Garystr. 35, 14195 Berlin
Ausnahme am 09.07.2024: Hörsaal A, Henry-Ford-Bau, Garystr. 35, 14195 Berlin
Weitere Informationen
Kontakt: office@sfb1512.de
Livestream: www.fu-berlin.de/offenerhoersaal